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15.04.2008 08:32 Alter: 16 yrs
Von: Von Ralf Müller, Freie Presse vom 11.April 2008

Amalgam bleibt als Zahnfüllstoff umstritten

Groß angelegtes Forschungsprojekt zur Schädlichkeit des Metalls brachte keine eindeutigen Ergebnisse   Ein Forschungsprojekt zur Schädlichkeit des Zahnfüllstoffs Amalgam ist abgeschlossen, hat jedoch keine eindeutigen Ergebnisse gebracht.


München.Schon lange in Verruf geraten ist das bis in die 90er-Jahre in großem Maßstab als Zahnfüllstoff verwendete quecksilberhaltige Amalgam. Ein großes Strafverfahren gegen den Amalgam-Hersteller Degussa endete mit der Ãœbereinkunft, dass das Unternehmen 600.000 Euro für Forschungen zur Gefährlichkeit des Metalls zur Verfügung stellt. Mehr als zehn Jahre arbeitete das "Zentrum für naturheilkundliche Forschung" (ZnH) am Münchener Universitätsklinikum "Rechts der Isar" an dem Forschungsauftrag. Das kürzlich vorgestellte Ergebnis hätte Karl Valentin mit den Worten "Nichts Genaues weiß man nicht" zusammengefasst.
Mehrere Forschungsprojekte hatten sich der Frage genähert, ob und wie Amalgam-Zahnfüllungen das Befinden der Träger negativ beeinflussen können. Am meisten zu denken gibt eine kontrollierte klinische Studie zum Vergleich von Therapiestrategien, die ZnH-Leiter Dieter Melchart vorstellte.

Drei unterschiedliche Therapien


91 Patienten, die ihre Beschwerden von Kopfschmerzen über Müdigkeit bis Depressionen auf das in ihrem Mund verarbeitete Amalgam zurückführten, wurden dabei unterschiedlichen Therapien unterworfen: Bei einem Drittel wurde das Amalgam entfernt, bei einem weiteren Drittel wurde darüber hinaus auch noch eine "Ausleitung" des in ihrem Körper eingelagerten Quecksilbers vorgenommen. Eine dritte Gruppe wurde lediglich intensiv in gesunder Lebensführung mit Hilfe von Entspannungsübungen, Ernährungsberatung und Bewegungstherapie unterwiesen.
Nach Ende der Therapie fühlten sich alle Patienten besser - unabhängig davon, ob ihnen das Amalgam entfernt oder sie in gesunder Lebensführung unterrichtet wurden. Zwischen den einzelnen Gruppen sei "kein statistisch signifikanter Unterschied" feststellbar gewesen, so Melchart. Alle Patienten hätten nach der Therapie gleichermaßen über eine Verbesserung ihrer subjektiven Beschwerden berichtet.
Eine Erklärung könnte darin bestehen, dass das vom Amalgam in den Körper eingebrachte "anorganische" Quecksilber zumindest teilweise durch "organisches Quecksilber" ersetzt wird, das insbesondere durch den Verzehr von Fischgerichten aufgenommen wird. Darauf deuten die Forschungen von Stefan Halbach vom Institut für Toxikologie am Helmholtz-Forschungszentrum hin. Bei dem Projekt wurde Patienten das Amalgam entfernt und das dadurch bedingte anorganische Quecksilber mit Hilfe von Medikamenten aus dem Körper ausgeleitet. Erstaunt waren die Forscher, als sie anschließend einen deutlichen Anstieg des Gehaltes an organischem Quecksilber in den Blutzellen registrieren mussten. Eine mögliche Erklärung bestehe darin, dass "Bindungsstellen", die von anorganischem Quecksilber freigemacht werden, von der organischen Form des Stoffes besetzt werden.

Sanierung verbessert Befinden


Immerhin konnte einigermaßen verlässlich geklärt werden, dass eine Entfernung der Amalgam-Füllungen mit einer Verbesserung des subjektiven Befindens verbunden ist. Nach der Amalgam-Sanierung bei 137 Patienten, die in 27 zahnärztlichen Praxen behandelt wurden, gingen Zahl und Intensität der Beschwerden signifikant zurück, während Befindlichkeit und Lebensqualität zunahmen. Bei Nachkontrollen über ein Jahr hinweg habe man beobachtet, dass die Besserung angehalten und sich zum Teil sogar noch verstärkt habe, berichtete Wolfgang Weidenhammer vom ZnF. Ohne Kontrollgruppe aber lässt sich nicht sagen, ob dieser Effekt tatsächlich toxikologische und medizinische Gründe hat oder auf psychologischen Effekten beruht.
Es bestehen allerdings handfeste Anhaltspunkte dafür, dass Amalgam und die davon bedingte Quecksilberbelastung des Körpers nicht nur "eingebildete" Effekte hervorrufen. Das ergaben Forschungen an menschlichen Zellen im Reagenzglas, wie ZnH-Leiter Melchart berichtete. Menschliche Zellen reagierten nach einer Amalgam-Exposition weniger gut auf Stresssituationen wie Fieber und Umweltgifte als unbelastete. Aber auch dies veranlasste die Mediziner nicht, Amalgam für giftig zu erklären. Melchart: "Die Reaktion der Zellen im Labor muss nicht unbedingt der im menschlichen Körper entsprechen".