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19.10.2024 19:41 Alter: 94 days

AMALGAM-VERBOT: WAS TAUGEN DIE NEUEN KASSENFÜLLUNGEN?


Sehr interessante Aussagen des Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsens.

Das Amalgamverbot ab 2025 ist ein undurchdachter Beschluss, der die Basis-Versorgung gefährdet.

Auch uns ist - das entspricht der Aussage von Dr. Weißig - kein Material bekannt, das der Langlebigkeit und den Verarbeitungsmöglichkeiten von Amalgam entspricht.

An den Zuzahlungen für hochwertig verarbeitete Composite-Füllungen wird sich aufgrund des Amalgamverbotes nichts ändern.

 

Und um die Frage aus der Überschrift der "FREIE PRESSE"

„Was taugen die neuen Kassenfüllungen?“

zu beantworten:

Nichts. …oder zumindest nicht viel.

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Was taugen die neuen Kassen-Füllungen?

Nur bei knapp jeder zehnten Zahnfüllung in Sachsen wird noch Amalgam verwendet – obwohl sich die Legierung, die Quecksilber enthält, als langlebig und robust erwiesen hat. Viele Patienten meiden Amalgam aus ästhetischen Gründen, weil es silbrig-grau im Mund schimmert. Bislang ist Amalgam zudem der einzige Füllstoff, den die Krankenkassen komplett bezahlen. Auch ab Januar, wenn es verboten sein wird, soll Patienten eine vollwertige Zahnfüllung ohne Zuzahlung angeboten werden. „Mit diesen Materialien fehlen uns allerdings Erfahrungen und Studien zur Haltbarkeit“, erklärt Dr. Holger Weißig, der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen.

VON KORNELIA NOACK

„Freie Presse“: Herr Dr. Weißig, worauf müssen sich Patienten ab kommendem Januar einstellen? Wie sehen die zuzahlungsfreien Alternativen zu Amalgam aus?

Holger Weißig: Man kann sagen, dass sich für den Frontzahnbereich grundlegend nicht viel ändert. Hier sollen weiterhin adhäsive, also anhaftende Materialien zum Einsatz kommen. Seit vielen Jahren schon verwenden wir hier Kunststoff, wofür die Kassen die Kosten übernehmen. Nur wenn Patienten aus ästhetischen Gründen eine ganz bestimmte Farbe wünschen, die ihren natürlichen Zähnen am nächsten kommt, können für sie Mehrkosten entstehen. Das ist aber jetzt auch schon so. Im Übrigen ist klar geregelt, dass Zahnärzte ihre Patienten über Alternativen sowie die jeweiligen Kosten aufklären dürfen.

Amalgam wurde vorrangig im Bereich der Seitenzähne eingesetzt. Was wird hier künftig verwendet?

Hier wird es aus meiner Sicht schon problematischer. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung haben sich darauf geeinigt, dass verschiedene selbstadhäsive, also selbstklebende Materialien verwendet werden sollen. Nach aktuellen Erkenntnissen sind diese dafür „gut geeignet“, haben „gutes Potenzial für die Basisversorgung“ und „je nach Einsatzgebiet variierende Überlebenszeiten“. Ehrlich gesagt ist das für mich noch zu wenig erfahrungsbasiert, immerhin geht es um die breite Grundversorgung der Bevölkerung.

Sie sind skeptisch, was die Haltbarkeit der Füllungen angeht?

Man soll nicht immer alles Neue verteufeln und ihm eine Chance geben. Aber mit den Daten, die mir bislang zu den Materialien vorliegen, kann ich nicht mit bestem Gewissen hinter dieser Lösung stehen. Sie sind noch nicht ausreichend lange auf dem Markt, sodass uns aussagekräftige Studien fehlen und einfach auch die Erfahrung. Es kann gut sein, dass wir in ein paar Jahren feststellen, dass Füllungen nur noch sieben oder acht Jahre halten. Amalgam hält dagegen 13 bis 15 Jahre. Zudem werden wir Zahnärzte mit etwas konfrontiert, was noch nicht gängige Praxis ist.

Was sollen Patienten künftig auf Kassenkosten erhalten?

Für den Seitenzahnbereich soll es drei Varianten geben. Welche am Ende tatsächlich genutzt wird, entscheiden wie bisher Zahnarzt und Patient gemeinsam. Zum einen sind das Glasionomerzemente, kurz GIZ. Derzeit verwenden wir diese vor allem, wenn ein Zahn eine provisorische Füllung benötigt. Das zweite sind Komposithybrid-Materialien. Diese kommen jetzt oft bei kariösen Kinderzähnen zum Einsatz, wenn diese ohnehin noch einmal wechseln. Das Dritte sind Alkasite. Sie gelten als haltbar und einfach zu verarbeiten. Der große Vorteil ist, dass alle Materialien weiß bis zahnfarben sind und damit ästhetischer.

Was bedeutet das für Patienten?

Die Entscheidung liegt nach wie vor bei ihnen. Aus meiner Erfahrung wählen heute schon 80 bis 90 Prozent der Patienten eine Kunststoff-Füllung im Seitenzahnbereich. Dann zahlt die Kasse den Amalgam-Preis und sie müssen zusätzliche Kosten selbst übernehmen. Das können bis zu 100 Euro pro Füllung sein, bei Keramik- oder Goldinlays sogar noch weit mehr. Wer die neuen Kassen-Füllungen nicht möchte, wird also genauso weiter zuzahlen müssen.

Sie haben mehr als 30 Jahre praktiziert. Bedauern Sie das Aus für Amalgam?

Ja. Es ist der älteste und besterforschte Füllstoff für kariöse Zähne im Seitenbereich. Ich kenne nur sehr wenige andere Materialien, die bei bestimmten Indikationen ein vergleichbares Ergebnis liefern. Amalgam ist langlebig und wird von den allermeisten Patienten ohne Probleme vertragen. Wird es fachgerecht eingesetzt, bestehen auch keinerlei Gesundheitsgefahren. Das nicht nachvollziehbare Verbot sehe ich aber auch aus versorgungstechnischen Gründen kritisch.

Was meinen Sie damit?

Amalgam wird heute insbesondere bei Patienten mit Einschränkungen bei der Mitarbeit, genannt Compliance oder Adhärenz, eingesetzt oder bei Patienten, die mit wenig Zeitaufwand unter Zurückstellung ästhetischer Aspekte eine kostenfreie Zahnfüllung wünschen. Amalgam lässt sich schnell und unkompliziert verarbeiten. Zudem können bei manchen Patienten die Füllungsränder nicht sicher trocken gehalten werden, sodass die neuen Füllstoffe nicht so gut im Zahn halten.

Quelle: Freie Presse, 18.10.2024

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